Abdul sieht die Sache pragmatisch: Die Eltern können zu wenig Deutsch, um ihren Kindern zu helfen, deshalb unterstützt er die Geschwister bei den Hausaufgaben. Der Krieg hat die angesehene Familie aus der Nähe von Damaskus in die Flucht getrieben. Über Jordanien und den Libanon kamen sie im vergangenen Jahr zu ihrem Sohn nach Taufkirchen. Abdul geht in die Realschule, ist 15 Jahre und spricht fast perfekt deutsch. Die beiden jüngsten Geschwister (2 und 5 Jahre) wollen immer spielen, deshalb kann er selbst erst abends Hausaufgaben machen. Schwierig ist es für die 8 und 12 jährigen Geschwister, wenn die Schule geschlossen ist. Dann fehlen Computer und ein Zimmer, in dem sie lernen könnten. Die Unterkunft in den FeelHome-Häusern besteht aus 2 Schlafräumen und einem Aufenthaltsraum, der gleichzeitig Küche ist. Da gibt es keinen Rückzugsort oder ein Zimmer zum Lernen.
Diese Situation ist in vielen Familien ähnlich, sagt Darina Todorova, die beim Sozialdienst der Caritas in Taufkirchen arbeitet. Grundsätzlich ist Homeschooling für die Jüngeren schwieriger, weil die technische Ausstattung fehlt, vor allem aber weil die Eltern nicht beim Lernen unterstützen können. Der Präsenzunterricht ist gerade für Schüler mit Sprachproblemen besonders wichtig. „Helferkreis und Caritas arbeiten seit Monaten an Konzepten, wie unsere kleinen Schützlinge an die digitale Welt gewöhnt werden.“ Corona macht die Sache noch komplizierter, weil im Lockdown keine Lerngruppen für den Umgang mit Computern stattfinden können. Sehr aktiv und engagiert schätzt Frau Todorova die Arbeit der Sozialdienste an den Schulen ein. Dort werden Leihgeräte besorgt, da die Schulen mit der Anschaffung nicht hinterher kommen. Auch der Helferkreis verfügt über ein paar Laptops, die benutzt werden können, nach Anmeldung und nur stundenweise.
Eines fällt Frau Todorova in den Gesprächen mit den Familien auf: Niemand beklagt sich oder kritisiert die schwierige Situation. Alle sind zufrieden, dankbar für die Hilfe und glücklich hier zu sein – eine Einstellung, die auch Einheimischen manchmal gut tun würde.
Michael Schanz